Neues Gegenüber
"Blöder Macho!" schrie ich und legte den Hörer unsanft auf. Ehe
ich den Tränen die Oberhand gab, flog sein Bild an die Wand. Ich
stand am Fenster, starrte auf den Vollmond und zog einen
Schlussstrich unter die belastende Beziehung.
Der Mond! Lachte er mich etwa aus, oder wollte er mich mit seinem
geheimnisvollen Lächeln trösten? Von ihm huschte mein Blick zu den
hellerleuchteten Fenstern genau gegenüber.
Das durfte doch nicht wahr sein. Noch ein Macho? Ein Kerl wie ein
Baum stand splitternackt in seinem Wohnzimmer, genau im Profil, und
griff nach seinen Sachen. Musste wohl gerade aus dem Bad gekommen
sein. Das Frottee hing noch über den Schultern. Trotz meiner trüben
Gedanken musste ich lachen, weil es ihm schwer fiel, den
übermütigen, ansehnlichen Heisssporn im Slip unterzubringen. Nein,
nun schien er IHN auch noch beruhigend zu streicheln, den Kopf ein
wenig frische Luft schnappen zu lassen.
Mir sass der Schalk im Nacken. Bis vor vierzehn Tage wohnten dort
die alten Leutchen, denen ich hin und wieder einen Gefallen getan
hatte. Ich hatte die Nummer noch im Kopf. Mit einem Sprung war ich
am Telefon und schaltete die Stehlampe aus. Ich sah, wie der Mann
die dunklen Höschen endgültig über das Hindernis hob und zu einem
Tischchen ging. Seinen Namen verstand ich vor Aufregung gar nicht,
liess nur meinen vorbereiteten Satz los: "Hatten Sie bisher kein
Visavis, oder gehören sie gar zu den..."
Das letzte Wort schenkte ich mir doch lieber. Ich sah, wie seine
Augen im Dunkel des späten Abends suchten, war überrascht von seiner
Schlagfertigkeit: "Na schön", frotzelte er, "haben wir die Hälfte
unseres Kennenlernens hinter uns. Was ich an Stimme höre, könnte
mich sofort in Versuchung führen...Im Ernst, Pardon, sollte ich Ihr
öffentliches Ärgernis erregt haben. Ich komme tatsächlich aus der
vierzehnten Etage eines Plattenbaues, musste mir nie Gedanken
machen, dass neugierige kleine Mädchen..."
"Bitte ja!" rief ich ihn nicht ganz ernst zur Ordnung. Man wird doch
noch aus seinem eigenen Fenster schauen dürfen, ohne als neugierig
zu gelten."
Ein Wort brachte das andere und mir am Ende, nachdem ich ihm
wenigstens Gesicht und Figur unter der hellen Deckenlampe gezeigt
hatte, ein Rendezvous für den nächsten Tag. Dann Abende im Cafe,
Kino und Disko. Mehr als verliebte Küsschen, himmlische Komplimente
und spritzige Unterhaltung hatte es noch nicht gegeben.
Heute tanze ich wie ein Teenager in meiner Wohnung umher. Noch einen
Blick in den Spiegel, fix noch ein Spritzerchen hinter die Ohren und
einen liebevollen Strich über die flauschigen Kissen auf Couch und
Sesseln. In mir brodelt es. Die erste Einladung in mein Domizil! Da
kann doch keine Frage offen bleiben!
Oh nein, nichts ist offen. Noch in der geöffneten Tür hänge ich in
seine Armen und spüre das, was ich schon so brisant gesehen hatte,
an meinem Bauch. Frech drückt er sogar nach, verleitet mich zur
lockeren Bemerkung: "Du musst mich nicht von deinen Qualitäten
überzeugen. Schliesslich kenne ich dich besser, als..."
"Ich dich? Sollen wir das nicht ändern?"
Immer noch ist die Tür offen, er mit festen Griff an meinem Po. Dass
er dabei seinen Blumenstrauss zerdrückt, das ist ihm offenbar egal.
Mit einem verführerischen Griff ziehe ich ihn am Binder ins
Wohnzimmer und gebe mich seinem heissen, fordernden Kuss hin.
Ich bin wieder frei. Nun will ich meinen Trumpf ausspielen.
Stundenlang hatte ich an der Nähmaschine für dieses Extra gesessen,
immer mit den Gedanken an diese Minute.
Ein beherzter Griff mit beiden Händen, und der Klettverschluss
meines hübschen Minis springt bis zum Saum auf.
"Nun kennst du mich auch", rufe ich übermütig, aber mit merkwürdig
spitzer Stimme.
Ich muss nicht nach unter schauen, habe es wiederholt vor dem
Spiegel geprobt und mich selbst an den Bildern berauscht. Natürlich
habe ich nichts darunter, als samtene Haut mit knuspriger
Sonnenbräune. Ich weiss, dass ihn die prallen Äpfel entgegenlachen,
die grossen dunklen Höfe besonders sinnlich wirken und die Knöpfchen
SOS funken. Noch niemals habe ich einen so verdatterten Mann
gesehen. Er wird sogar rot, als seine Augen immer wieder von oben
nach unten und zurück huschen, sich schliesslich an meinem Schoss
festsaugen, wo ich seit langem den Harrschmuck in einer ganz knappen
Herzform halte. Seine sekundenlange Irritation macht mir Skrupel.
Bin ich doch zu weit gegangen? Eigentlich hat er es nicht anders
gewollt. Nicht nur einmal hatte er sich während unseres
Beisammensein beklagt, dass nur ich kenne, wie er von der Natur
geschaffen wurde.
Endlich, mit einem Schwung hat er mich auf seinen Armen und lässt
sich mit mir in eine Ecke der Couch fallen. Sein Mund saugt sich
abwechselnd an den Brüsten fest. Gekonnt lässt er dabei die flinke
Zunge um die dankbaren Türmchen sausen. Eine Hand schickt er auf
Wanderschaft, lässt sie immer wieder dort auftauchen, wohin die
Nerverbahnen den Reiz seiner heissen Küsse schicken.
Für einen Moment ist es mir peinlich, wie heiss und feucht er das
Nest bereitet tasten muss. Was Wunder, meine Gedanken waren in der
letzten Stunde nirgends anders.
Mühsam befreie ich mich aus seinen Armen. Jetzt will ich den Mann
auch vor mir haben, wie an jenem Abend in seinem hellerleuchteten
Zimmer. Mit grossen Augen verfolgt er jeden Handgriff, scheint es zu
geniessen, dass ich ihn in einer langen Streichelsinfonie
entblättere. Beinahe über jedes Fleckchen Haut, das ich enthülle,
lasse ich meine feuchten Lippen huschen, während er mit beiden
Händen meine lange Mähne traktiert. Ich schaffe es nicht, die Hosen
vollständig über Schenkel zu drücken. Als mir das straffe Verlangen
entgegenspringt, überfraut es mich. Seine bewundernden und
begeisterten Zurufe möbeln mich immer mehr auf. Ich bin ganz weit
fort, spüre nur noch, dass sich in mir eine gewaltige Welle ihren
Weg bahnt. Mit einem Satz bin ich im Sattel. Vielleicht ist es für
ihn sogar ein wenig schmerzhaft, wie ich ihm die wenigen Stösse
abjage, die mir sofort die ersehnte Entspannung bringen. Ich schaue
in sehr erstaunte Augen. Für den Rest des Abends ist das Erstaunen
auf meiner Seite. Einen Marathon vollführt der Mann mit mir, über
Sessel, Teppich, Tisch und Stuhl. Raffiniert bläst er jedes Mal zum
Stellungswechsel, wenn er sich zu verausgaben droht. Beim vierten
Mal nicke ich freudig, als er wundert: "Kommst du etwa schon
wieder?"
Am Ende stehe ich am dunklen Fenster gebeugt, halte mich krampfhaft
am Fensterbrett fest und erwarte fast entkräftet sein Finale. Voller
Mutwillen krähe ich: "Jetzt müsste drüben das Licht angehen, ein gut
gebauter Mann sich in seiner ganzen Schönheit präsentieren."
Leicht klatscht er strafend meinen Po. Zwei- oder dreimal, nun zieht
seine heisse Salve auch meine letzten Kräfte und Säfte zusammen.
Wochen später starren wir gemeinsam aus dem gleichen Fenster nach
Gegenüber. Vergebens! Der erste Griff der jungen neuen Bewohnerin
geht zu den Jalousien.
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